Zaubern will gelernt sein (35)
Nachdem Franzi zusammen mit seinem Papa Fridolin in einer herrlichen hellen Vollmondnacht - wie Kranawitha gewünscht hat - von einer Eibe den Zweig abgeschnitten hatten, konnte es der kleine Drache kaum erwarten, wieder zu seiner Lehrmeisterin, der Hexe Kranawitha, zu kommen. Endlich, endlich würde er zaubern können. Die Tage bis zu seiner nächsten Zauberstunde in der Hexenhöhle wollten und wollten nicht schneller vorübergehen. Franzi bemühte sich besonders, in der Drachenschule im Drachenfelsen am Drache
nsee brav zu sein und gut aufzupassen. Seine Dracheneltern hatten ja nur unter der Bedingung, dass er in der Schule und bei den Hausaufgaben ordentlich und ohne Murren arbeitete, seinem Wunsch zugestimmt Zauberlehrling zu werden. In der Drachenschule fiel es Franzi gar nicht schwer, weil seine Lieblingslehrerin Fräulein Rosanna Funkendrache so nett war und es immer wieder nicht nur interessant, sondern auch lustig wurde. Die Hausaufgaben allerdings waren da ein Problem. Nach der Schule wollte der kleine Drache viel lieber spielen und mit seinen Freundinnen und Freunden Abenteuer erleben. Manchmal musste er sich besonders zusammennehmen, dass er nicht aus Ohren und Nasenlöchern qualmte. Ihr wisst ja, dass Franzi da ein wenig Schwierigkeiten hat.
In der
letzten Zeit war jedoch alles gut gegangen. Nicht einmal seine kleine Schwester
Franziska schaffte es, ihn zum Qualmen zu bringen. Vielmehr lächelte Franzi
immer öfter über ihre Versuche, ihn aus der Ruhe zu bringen. Zugegebenermaßen
war das nicht immer einfach. Wer von euch Geschwister hat, kann sicher ein Lied
davon singen. So ist es nun einmal: Man kann nicht ständig cool und entspannt
bleiben, wenn es um Geschwister geht.
Gerade
wollte der kleine Drache nach seiner Rodel greifen, warm eingepackt mit Schal
und
Mütze hinaus in den ersten Schnee starten, als Drachenmama Frieda meinte: „Hast
nicht heute eine Zauberstunde bei Kranawitha?“ Wie hatte Franzi das vergessen
können! Die Rodel würde heute wohl daheimbleiben.
Franzi
sauste in seine Wohnecke, holte den Zauberstab, schmatzte seiner Drachenmama
einen Kuss auf die schuppige Wange, winkte seiner Schwester zu und war schon
durch den Höhleneingang nach draußen verschwunden. Das Drachenkind machte sich
vorsichtshalber unsichtbar: Dreimal an seiner blauen Zauberschuppe gerieben und
SCHWUPPDIWUPP! Franzi schwang sich in die Lüfte, flog einen eleganten Bogen
über die Schipiste, auf der sich bereits einige Schifahrer tummelten, und
sauste an der Seilbahnstation vorbei zur Felsenhöhle der Hexe Kranawitha. Dort
ließ er sich zu Boden sinken und machte sich SCHWUPPDIWUPP wieder sichtbar.
Von weitem hörte Franzi Siegi rufen: „Wo ist Franzi, Ranzi? Franzi da? Franzi kommen!“ „Schsch!“, vernahm er die Stimme der Hexe in der Höhle, „Er wird sicher gleich geflogen kommen! Da ist er ja schon! Grüß dich, Franzi! Du bist aber pünktlich.“ Franzi begrüßte zuerst Kranawitha, danach die weiße Katze Morgana und zuletzt Siegi, die Bergdohle, die aufgeregt in ihrem Käfig herumflatterte und in einem fort „Franz! Ranzi!“ krächzte. Vorsichtig steckte der kleine Drache eine Kralle in den Käfig. Er konnte sich noch gute an die scharfen Schnabelhiebe erinnern, als Siegi damals ausgebüxt war. Doch heute rieb er sein kohlrabenschwarzes Köpfchen an der Drachenkralle.
„Los
geht’s!“, sagte Kranawitha und fragte sogleich: „Hast du den Zauberstab
mitgebracht?“ Stolz zeigte Franzi seinen funkelnagelneuen Zauberstab. Die Hexe
nickte zufrieden: „Ja, der ist genau richtig! Und nun wollen wir an die
Zauberarbeit gehen.“ Mit freundlichen Worten erklärte die Hexe dem kleinen
Drachen, was er alles beachten müsse. „Heute wollen wir mit einem einfachen
Zauber beginnen. Du sollst Siegi aus seinem versperrten Käfig zaubern und ihn
auf den Tisch setzen. Der Zauberspruch geht so:
Wide, wide, witt,
Siegi komm nun mit!
Wide, wide, wisch,
gleich sitzt er auf dem Tisch!
Dazu musst du mit dem Zauberstab dreimal von Ost nach West über
den Käfig streichen, die Augen schließen und dir den Tisch vorstellen, wohin du
Siegi setzen willst. Nun probiere es!“
Franzi trat zum Vogelkäfig, überlegte kurz wo die Sonne
aufgeht, damit er wusste, wo Osten ist. „Auf der anderen Site, gegenüber, im
Westen geht die Sonne unter“, dachte er. Endlich strich der kleine Drache dreimal
über den Käfig, schloss die Augen ganz fest, murmelte mit tiefer Drachenstimme den
Zauberspruch und konzentrierte sich. Doch herrje, da geschah es: Morgana, die
weiße Katzendame der Hexe, strich ihm um die Beine. Plötzlich war klägliches
Miauen zu vernehmen: "Miauuu! Miauuu!" Siegi keckerte lauthals.
Die Hexe Kranawitha jedoch stand da und lachte und lachte bis
ihr die Tränen über die runzeligen Wangen kullerten. Franzi öffnete die Augen.
Was musste er da zu seinem Entsetzen sehen? Was hatte er da nur gezaubert?
Siegi flatterte aufgeregt auf dem Tisch herum, aber die arme
Morgana saß eingesperrt im engen Vogelkäfig und miaute empört. Oje, oje, ojemineh!
Wie sollte die Katze nun aus dem engen Käfig befreit werden? Die Käfigtür war
viel zu schmal. „Kranawitha, kannst du mir helfen? Morgana muss schnell aus dem
Käfig befreit werden!“, rief Franzi verzweifelt. „Pass gut auf! Du kannst
gleich noch etwas lernen. Den ersten Teil hast du ja richtig gemacht“, lachte
Kranawitha.
„Schnurrdiburr, diburr, diratz!
Hol geschwind die weiße Katz!
Schnurrdiburr, diburr, diratz,
Schon nimmt sie auf dem Teppich Platz!“
Sie schwang ihren Zauberstab um den Käfig und tippte sogleich
mit der Spitze auf den Teppich. Es ging ganz schnell und die arme Morgana war
aus dem Käfig befreit. Währenddessen hatte Siegi versucht, durch den
Höhlenausgang zu entwischen, doch Kranawitha murmelte einen weiteren
Zauberspruch und Siegi saß wohlverwahrt wieder in seinem Käfig. „Du Schlingel!“,
schmunzelte die Hexe. Sie kannte ihre Bergdohle in- und auswendig.
Beleidigt, weil er erwischt worden war, saß Siegi im Käfig
und steckte sein Köpfchenunter einen Flügel. Er gab vor ein Nickerchen zu
machen, aber Franzi konnte er nicht täuschen.
„Der erste Zauberversuch ist mir ja ordentlich missglückt!“, seufzte der kleine Drache enttäuscht. Kranawitha tröstete ihn: „Das wird schon werden. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen! Wir werden weiter üben. Für heute machen wir Schluss und merke dir: Du darfst dich durch nichts und niemanden ablenken lassen. Nun flieg nach Hause! Wir treffen uns übermorgen zur nächsten Zauberübungsstunde! Schlaf gut, kleiner Zauberlehrling!“ Franzi verabschiedete sich von allen und bedankte sich bei der Hexe.
Auf dem Flug nach Hause überlegte Franzi, ob er von seinem Missgeschick erzählen sollte, aber es war ja wirklich lustig anzusehen gewesen, als Morgana da so im Vogelkäfig hockte. Diese Geschichte wird sicher allen Spaß machen und außerdem ist ja noch kein Meister vom Himmel gefallen.
Doch dann musste Frazi doch noch ein wenig qualmen!






Kommentare
Kommentar veröffentlichen