Gut Ding braucht Weile - nur Geduld (34)
Nach einer unruhigen Nacht mit vielen Träumen über Zauberstäbe und Zaubersprüche erwachte Franzi am frühen Morgen. Vor der Drachenhöhle war es noch dunkel. Ein letzter Mondstrahl fand seinen Weg in die Höhle. Bald würde es dämmern und Zeit aufzustehen. Franzi hing seinen Gedanken nach. Er überlegte, wie er seinen Tag nun einteilen würde. Erst kam die Schule, dann die Hausübung und dann, ja dann endlich würde er zu Kranawitha fliegen um richtig zaubern zu lernen.
Drachenmama Frieda war bereits aufgestanden und Drachenpapa Fridolin sprach leise mit ihr. Der kleine Drache hörte nur einzelne Wörter wie „Kranawitha, Schule, Franzi, Zeit…“ Deshalb wusste das Drachenkind, dass Mama und Papa über ihn und seinen Wunsch zaubern zu lernen sprachen. Franzi rieb sich seine müden Drachenaugen und setzte sich mit einem Ruck auf. Sogleich ließ er sich wieder auf den Latschenkieferteppich sinken. Ach, wie müde er war! Nur die Vorfreude auf den besonderen neuen Tag ließ ihn auf seine Beine hüpfen.
Drachenpapa Fridolin kam auf ihn zu und drückte ihn, bevor
er Franzi einen Kuss auf den Haarschopf drückte. „Mein kleiner, großer
Zauberlehrling! Ich war gestern spät abends bei Kranawitha. Sie hat mir
versichert, dass sie sich darauf freut, dir das Zaubern beizubringen. Außerdem
haben Mama und ich einen Plan gemacht. Dreimal in der Woche darfst du bei
Kranawitha lernen, wenn deine Hausaufgaben erledigt sind“, flüsterte Papa Franz
in sein Drachenohr, um die kleine Franziska nicht zu wecken, die immer noch
schlummerte. Der kleine Drache wusste nicht, wohin mit seiner Freude. Erst
bekam Papa eine Umarmung und dann Mama. Auf Krallenspitzen hüpfte er durch die
Drachenhöhle. Allerdings war er nicht leise genug. Franziska war aufgewacht.
Sie watschelte auf Drachenpapa Fridolin zu, der sie hochhob und sich dabei
einmal im Kreis drehte. Franziska quietschte vor Vergnügen. Papa setzte die
Kleine auf den Höhlenboden. Schon packte er Franzi und schwenkte ihn auch
herum. „Neiiin!“, kicherte Franzi, „Ich bin doch schon viel zu groß!“ Als der
kleine Drache wieder Boden unter den Drachenbeinen hatte, musste er sich
setzen. Ihm war ziemlich schwindlig geworden, aber in seinem Bauch war es ganz
warm vor Freude.
Drachenmama Frieda bat Papa Fridolin dafür zu sorgen, dass
die beiden Drachenkinder geputzt und gekämmt am Frühstückstisch Platz nehmen.
Franziska und Franzi waren bald mit ihrer Morgentoilette fertig und hopsten auf
ihre Hocker. Ach wie herrlich, auf dem Tisch wartete Grießbrei mit Früchten und
ein wenig Honig.
Es war ganz still geworden in der Höhle, nur ab und zu hörte
man ein genüssliches „Hmmm“. Papa Fridolin verabschiedete sich von Mama und
setzte Franziska auf seine Vordertatze. Die Kleine trug am Rücken ihren neuen
Drachenkindergartenrucksack, der fast wie Franzis Drachenschultasche aussah.
Drachenmama Frieda hatte ihn für sie gemacht und Papa Fridolin hatte die
Lederriemen befestigt. Die Jausendose war bereits verpackt. Noch einmal winkten
die beiden zurück, dann sausten sie durch die Lüfte davon. „Schönen Tag im
Drachenkindergarten!“, rief Franzi noch hinterher.
Jetzt war es auch für ihn Zeit, sich auf den Weg zur
Drachenschule im Drachenfelsen am Drachensee zu machen. „Darf ich wirklich
heute schon zu Kranawitha?“, fragte er Drachenmama Frieda. Sie nickte, fuhr dem
kleinen Drachen über den Wuschelkopf und drückte ihm seine Jausendose in die Tatze.
Das Drachenkind steckte sie sogleich in seine Drachenschultasche.
Vor der Drachenhöhle schwang sich Franzi mit kräftigen
Flügelschlägen in die Luft. Der Wind, der an diesem Tag wehte, trug ihn rasch
ins Drachental.
Der kleine Drache flog hoch hinauf und machte einen Bogen
über die Almen. Hetty, das Stierkalb Franzi, Bruno und die anderen Kühe waren
bereits zurück ins Tal abgestiegen. Nur die Sennerin Kathi war manchmal bei der
Alm, um alles für den Winter vorzubereiten und abzuschließen.
Am Höhleneingang der Drachenhöhle angekommen, machte sich
das Drachenkind wieder sichtbar. Drinnen hörte er Drachenmama Frieda mit der
kleinen Franziska sprechen. Rasch schlüpfte er in die Höhle und begrüßte die
beiden.
Ohne ein weiteres Wort setzte er sich an den Tisch, öffnete seine Schultasche, packte seine Bücher und Hefte aus und wollte gerade zu arbeiten beginnen, als Drachenmama Frieda lachte: „Na so etwas! Heute hast du nicht einmal Hunger? Die Drachenpizza wartet auf dich.“ Das musste Mama nicht zweimal sagen. Erschnuppert hatte er es ja schon, dass es Drachenpizza gab, als er in die Höhle gekommen war, aber … Jetzt spürte er doch Hunger. Der kleine Drache ließ sich seine Pizza schmecken, während Franziska immer noch vom Drachenkindergarten erzählte und Drachenmama Frieda aufmerksam zuhörte.
Kaum war Franzi fertig, setzte er sich wieder zu seinen
Hausarbeiten. So rasch wie heute war er noch nie fertig gewesen! Nicht einmal
das Geplapper seiner kleinen Drachenschwester konnte ihn stören, denn ein
spannender Nachmittag mit Hexe Kranawitha wartete auf ihn.
Nach ein paar Ermahnungen seiner Mama brav zu sein und der Hexe gut zuzuhören, verabschiedete er sich. Er flog über den Hügel, an der hohen Felswand entlang bis zum Eingang zur Höhle Kranawithas. Ein kleines weißes Fellbündel saß vor der Höhle. Morgana wartete schon auf den kleinen Drachen. Gemeinsam betraten sie die Höhle. „Da bist du ja!“, begrüßte ihn Kranawitha. „Dann wollen wir gleich beginnen.“ Siegi äugte aus seinem Käfig. Die schwarzgefiederte Bergdohle krächzte: „Franzi, Ranzi! Mag Franzi!“ „Schschsch! Ist ja gut!
Jetzt musst du aber still sein, Siegi!“, sprach Kranawitha.
Sie bot Franzi einen Platz am Tisch an. Dort lag ein großes
dickes in Leder eingebundenes Buch, auf dem ein Stern aus Bergkristallen
funkelte. „Das Zauberbuch!“, sagte Franzi voll Ehrfurcht und bewunderte den
Kristallstern. Daneben lag ein einfacher Holzstab. Das sollte der Zauberstab
sein?
Kranawitha setzte sich zu Franzi und erklärte ihm, was alles
im Zauberbuch aufgeschrieben war. Darin standen nicht nur Zaubersprüche. Auch
die Anleitung wie man sprechen musste, woran man denken sollte, wie der
Zauberstab zu bewegen war und vieles mehr war dort vermerkt.
Voll Stolz sagte der kleine Drachen den Zauberspruch auf,
den er am Vorabend auswendig gelernt hatte.
„Spinnendreck und Krötenschleim,
Zaubernuss und Fliegenbein
Schlangenhaut und Fledermaus
Hexenbesen komm heraus!
Bring nach Hause mich geschwind!
Fliege schneller als der Wind!
Spinnendreck und Krötenschleim
Drachenkind nun sei daheim!“
„Da warst du aber fleißig!“, lobte
ihn die Hexe. „Heute wollen wir vor allem über den Zauberstab sprechen, denn er
hat eine große Bedeutung beim Zaubern.“
Gespannt hörte Franzi zu, als die
Hexe erzählte, dass der Zauberstab aus dem Holz eines besonderen Baumes sein
müsse, nämlich der Eibe. Dafür muss in einer Vollmondnacht ein dünner Ast von
der Eibe geschnitten werden. Nur Drachen und Zwerge können Zauberstäbe schneiden.
Danach muss der Stab ein paar Tage in der Sonne trocknen.
„Übermorgen ist Vollmond!“, rief
Franzi begeistert. „Ja, und dein Papa wird dir dabei helfen, den richtigen Baum
zu finden. Ich habe bereits alles mit ihm besprochen. Wenn dein Zauberstab fertig
ist, dann sehen wir uns wieder.“, antwortete die Hexe und schickte ihn nach
Hause.
Der kleine Drache war ein wenig
enttäuscht, dass er bei Kranawitha noch nicht mehr gelernt hatte. Er war
einfach zu ungeduldig. Geduldig sein musste er auch erst lernen.
Wieder zuhause in der Drachenhöhle
erzählte Franzi von seinem Nachmittag bei Kranawitha und meinte mit traurigem Blick: „Schade,
dass ich euch heute noch nichts vorzaubern kann!“ Drachenmama Frieda tröstete
ihn: „Gut Ding braucht Weile!“ Fragend sah Franzi sie an. Mama erklärte: „Das
bedeutet, dass man Geduld haben muss. Denk nur daran, wie du schwimmen gelernt
hast. Auch das hat ein wenig gedauert.“
Drachenpapa Fridolin versprach,
Franzi bei der Suche nach dem richtigen Zauberstab zu
begleiten. Da war der
kleine Drache etwas versöhnt.
Bald, ja bald wird er zaubern
können.






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