Ein Lehrling für Hexe Kranawitha


Die Schule hatte wieder begonnen und auch die kleine Franziska, Franzis manchmal etwas nervige Schwester, flog wieder jeden Tag abwechselnd mit Drachenpapa Fridolin oder Mama Frieda zum Drachenkindergarten. Franzi hatte sich sehr auf die Drachenschule im Drachenfelsen am Drachensee gefreut. Er war nun nicht mehr bei den kleinsten Drachenkindern, sondern durfte mit seinen Freundinnen und Freunden in die nächste Drachenschulklasse gehen. Natürlich war seine Lieblingslehrerin, Fräulein Rosanna Funkendrache, ebenfalls wieder mit dabei.


Wie neugierig war Franzi, zu sehen, ob sich die Drachenkinder und Fräulein Funkendrache verändert hatten. Unser kleiner Drache war in den letzten zwei Monaten gewachsen. Nicht nur seine Ohren, sondern auch alles andere an ihm war sichtlich größer geworden. Er merkte das, wenn er sich in seinem alten Spiegel betrachten wollte. Franzis Haarschopf war nicht mehr zu sehen. Auch sein Drachenschwanz und seine Drachenflügel waren gewachsen. Das freute Franzi. Besonders stolz war er auf seine Drachenflügel. Wie es jetzt rauschte, wenn er angeflogen kam. Es war beinahe so wie bei seinem Papa. Und -, Drachenmama Frieda sagte jetzt immer öfter: „Mein Großer“ zu ihm.

An diesem Morgen fiel dem kleinen Drachen das frühe Aufstehen etwas schwer. In den Drachenferien hatte er viel, viel länger auf seinem Latschenteppich geschlafen. Drachenmama Frieda musste ihn zweimal wecken, bevor er endlich seine Morgentoilette machte. Nach einem schnellen Frühstück sauste Franzi los. Die Drachenschultasche war gepackt. Darin wartete bestimmt eine köstliche Jause für die Pause in der Drachenschule. Beinahe hätte Franzi sein Geschenk für Fräulein Funkendrache und Liesette Kugeldrache vergessen.

Los ging’s! Mit einem kräftigen Satz schwang sich Franzi in die Lüfte. Auf dem Feuerkogel war es noch ruhig. Als er an der Seilbahnstation vorbeiflog, sah er Moni, wie sie gerade in die Gondel stieg um auch zur Schule zu fahren. Rasch sauste er über das Drachental dem Drachensee zu.

Endlich sah er sie: seine Drachenschule im Drachenfelsen am Drachensee. Vor dem großen Tor warteten viele Drachenkinder. Einige kannte Franzi aus dem letzten Drachenschuljahr, aber es waren auch Drachenkinder darunter, die der kleine Drache zuletzt im Kindergarten getroffen hatte.

Dort stand sie und winkte Franzi fröhlich zu - seine Drachenschullehrerin Fräulein Rosanna Funkendrache. Auf ihrer hübschen Drachennase saß eine neue knallrote Brille und der Haarschopf… Ach, der Haarschopf war dieses Mal schwarz und weiß gestreift. „Das sieht cool aus“, dachte Franzi und winkte zurück. Neben Fräulein Funkendrache wartete Liesette. Sie hatte sich gar nicht viel verändert. Doch auch sie war etwas größer geworden.-

Kurz darauf betraten alle Drachenkinder mit ihren Drachenlehrerinnen und Drachenlehrern die Drachenschule. Neugierig blickten sie in die große Höhle. „Wir haben ja unsere alte Klassenhöhle wieder!“, rief Ferdl Sprungdrache und hüpfte begeistert auf und ab. Auch die anderen Drachenkinder freuten sich darüber. Dann begann der Unterricht.

Die Zeit verging für das Drachenkind wie im Drachenflug. Alle erzählten begeistert von ihren Erlebnissen in den Drachenschulferien. Franzi berichtete stolz, dass er, als Flugdrache, schwimmen gelernt hatte. Das Geheimnis der großen Eishöhle blieb sein und Monis Geheimnis. Darüber wollte er mit niemandem sprechen.

Nach diesem ersten Drachenschultag flog Franzi nicht sofort zur Drachenhöhle am Feuerkogel. Er wollte auf dem Heimflug bei der Hexe Kranawitha vorbeischauen. Wie es wohl Siegi und Morgana ging?



Mit einer engen Flugkurve näherte sich Franzi dem Höhleneingang. Hier wohnte die Kräuterhexe Kranawitha. Der kleine Drache war noch gar nicht gelandet, da steckte die Katze Morgana auch schon ihr Köpfchen heraus. Das war eine Begrüßung! Morgana mauzte und strich Franzi um die Drachenbeine. Dabei ließ sie sich hinter den Katzenohren kraulen. Aus der Höhle krächzte Siegi laut und vernehmlich: „Franzi, Ranzi! Franzi , Ranzi ist da! Krah, krah!“ Der kleine Drache lachte: „Hallo Sieg, du kleiner Frechdachs!“ Nun kam auch die Hexe Kranawitha heraus. „Ja, wer besucht uns denn da?“, fragte sie. „Grüß dich, Kranawitha!“, sagte der kleine Drache und streckte höflich seine Drachenhand nach vorne. Die Hexe schüttelte ihm die Tatze und wollte nun wissen, was Franzi bewogen hatte, zu ihr zu kommen.

Das Drachenkind wurde ganz verlegen und trat von einer Tatze auf die andere. „Ich, ich möchte…“, stammelte er. Kranawitha lächelte ihn an und ermunterte Franzi: „Nur Mut, Franzi! Was möchtest du?“ Der kleine Drache fasste sich ein Herz und sprach: „Liebe Kranawitha, ich möchte so gern zaubern lernen. Kannst du mir zeigen, wie man mit einem Zauberstab zaubert?“ Die Hexe lachte: „Du willst also mein Zauberlehrling werden?“ Franzi nickte so heftig mit seinem großen Drachenkopf, dass die Ohren wackelten. „Du weißt aber, dass das nicht so schnell geht und man viel üben muss. Das heißt, du musst fleißig sein!“ Franzi versicherte der Hexe, dass er es ernst meine. „Na gut!“, sprach Kranawitha. „Du kannst mich jederzeit besuchen, aber erst müssen deine Schulaufgaben gemacht sein. Das ist wichtig. Ich spreche mit deiner Mama, ob sie es erlaubt. Dann können wir in den nächsten Tagen mit deiner Ausbildung beginnen.“

Franzi machte einen Luftsprung. Wobei er etwas schummelte und mit den Flügeln schlug. „Hurra!“, jubelte er, „Dann bis morgen Kranawitha! Ich freue mich so. Danke, danke, danke!“ Rasch verabschiedete sich das Drachenkind und flog nach Hause.


Dort wartete bereits Drachenmama Frieda mit der kleinen Franziska auf ihn. „Wo warst du denn so lange? Ich habe mir Sorgen gemacht“, sagte Mama Frieda vorwurfsvoll. Franzi erzählte von seinem Wunsch das Zaubern zu lernen und dem Besuch bei der Hexe. Mama Frieda schüttelte ungläubig den Kopf: „Wie bist du auf diesen Wunsch gekommen?“ Der kleine Drache setzte die Schultasche ab, öffnete sie und zog ein Buch heraus. „Zaubern für Drachen“ stand da in großen Buchstaben. „Das habe ich heute in der Drachenschulbibliothek entdeckt und dann habe ich mir gedacht, Kranawitha kann gut zaubern. Sie könnte es mir zeigen.“ „Da hast du sicher recht, aber das müssen wir alle gemeinsam besprechen. Du musst dich noch gedulden, bis ich mit Papa und Kranawitha gesprochen habe. Jetzt setz dich zu Tisch! Heute gibt es Drachenspaghetti mit Kräutersoße.“ Das ließ sich Franzi nicht zweimal sagen.


Gemeinsam mit der kleinen Franziska saß er am Tisch. Sie aßen ihre Spaghetti, doch Franziska kam fast nicht dazu, weil sie unentwegt vom Drachenkindergarten erzählen musste. Eine Geschichte war besonders lustig. Franzi konnte ebenfalls nicht mehr weiteressen. Vor lauter Lachen hielt er sich den Bauch und rief: „Das ist zu komisch!“ Franziska kicherte.


Endlich hatten sie ihre Mahlzeit beendet und Franzi erledigte seine Hausaufgaben, während die kleine Franziska ihre Jausendose auswusch. Danach setzte sie sich in ihre Ecke, nahm ein Bilderbuch zur Hand und kicherte schon wieder vor sich hin. Da wurde Franzi ungeduldig. „Kannst du nicht ruhig sein. Ich kann mich nicht konzentrieren“, schnauzte er seine kleine Schwester an. „Na, na!“, mahnte ihn Drachenmama Frieda, „Das geht auch freundlicher!“ Franzi beugte sich noch tiefer über seine Schulsachen, bekam dunkelrote Ohren und dann passierte es wieder einmal: Er qualmte, aber ordentlich. „Jetzt reicht es aber Franzi!“, ermahnte Mama ihn erneut. Dann nahm sie die kleine Franziska an der Tatze und spazierte mit ihr aus der Höhle. Dankbar blinzelte ihr der kleine Drache zu.


Endlich hatte er Ruhe. Die Arbeit an seinen Hausaufgaben ging rasch voran und ehe er es sich versah, war er fertig. Rasch lief er zum Höhleneingang und verkündete laut: „Ich bin fertig!“ Etwas leiser setzte er hinzu: „Danke, Mama!“ Drachenmama Frieda und Franziska kehrten in die Höhle zurück. Sie brachten eine Menge Blätter, Beeren und kleine Zweige von Latschenkiefern mit.

Mama Frieda zeigte den beiden Drachenkindern, was man alles daraus basteln konnte. Außerdem erfüllte köstlicher Kiefernnadelduft die ganze Höhle. Franzi half seiner Schwester eine schöne Blume aus bunten Blättern zu gestalten. Schließlich zog er sich in seine Drachenkinderecke zurück, nahm seine neues Buch aus der Drachenschulbibliothek und begann darin zu lesen. Manchmal murmelte er vor sich hin, denn er wollte einen Zauberspruch auswendig lernen, damit er der Hexe Kranawitha zeigen konnte, wie ernst er es meinte.

Am späten Nachmittag segelte Drachenpapa Fridolin über den Feuerkogel zur Drachenhöhle.


Die beiden Drachenkinder liefen ihm entgegen und plapperten gleichzeitig los. Franzi sprach über seinen Wunsch zaubern zu lernen und Franziska erzählte ihre Drachenkindergartengeschichte. Papa lachte aus vollem Herzen und rief Drachenmama Frieda, die gerade am Höhleneingang erschienen war zu: „Du kannst mir sicher erklären, was hier los ist!“

Die Familie Flugdrache saß um den Tisch und Drachenmama Frieda berichtete kurz. Danach erzählte Franziska ihre lustige Geschichte. Dem kleinen Drachen ging das nicht schnell genug. Er zappelte auf seinem Hocker herum. Endlich war er an der Reihe. Franzi erzählte von seinem neuen Buch, seinem Besuch bei der Hexe Kranawitha und von seinem Wunsch das Zaubern zu erlernen.

Es wurde ganz still am Tisch. Drachenpapa Fridolin und Drachenmama Frieda wechselten einen Blick. Papa strich sich mit der Vordertatze über die Drachenwange und das Drachenmaul. Seine Drachenstirn hatte viele Falten bekommen. Franzi wurde immer ungeduldiger. Sein Kopf war schon wieder ganz rot. Er musste sich furchtbar anstrengen, still zu sitzen, abzuwarten und vor allem: nicht zu qualmen. Das war sehr schwierig.

Nachdem Mama und Papa sich noch einmal angeblickt und sich zugenickt hatten, sagte Drachenmama Frieda: „Alsoooo, Franzi! Wir erlauben dir, das Zaubern zu erlernen. Du musst aber wissen, dass du sorgfältig mit deinem Können umgehen musst, so wie mit deiner Zauberschuppe. Morgen werde ich mit Kranawitha sprechen und dann werden wir einen Plan machen.“

Der kleine Drache sprang auf seine Drachenbeine, sauste zu seinen Dracheneltern und gab jedem eine dicken Schmatz. „Huhuuu!“ rief er und weil er gerade so glücklich war, bekam auch die kleine Franziska ein Küsschen. „Wäää, das war aber nass“, rief sie empört, wischte sich die Drachenwange trocken und lächelte dabei.

Das würde ein Abenteuer werden. Franzi konnte es gar nicht mehr erwarten, als Zauberlehrling anzufangen. Doch bis morgen würde er sich gedulden müssen. Bis dahin könnte er ja noch den Zauberspruch aus dem neuen Buch üben:

„Spinnendreck und Krötenschleim,

Zaubernuss und Fliegenbein

Schlangenhaut und Fledermaus

Hexenbesen komm heraus!

Bring nach Hause mich geschwind!

Fliege schneller als der Wind!

Spinnendreck und Krötenschleim

Drachenkind nun sei daheim!“

 

Diesen langen Zauberspruch hat Franzi auswendig gelernt. Morgen, ja morgen wird er ihn der Hexe aufsagen. Ob er einen Zauberstab bekommt? Wie funktioniert das Zaubern eigentlich? Der Spruch allein hat ja noch gar nichts bewirkt. Franzi ist schon sehr gespannt.

 

Kurz bevor er an diesem Abend einschlief, fiel ihm ein, dass er vergessen hatte, seiner Lieblingslehrerin und seiner Freundin Liesette das kleine Geschenk zu überreichen. Naja, morgen war auch noch Gelegenheit dazu und überhaupt: Die nächsten Tage werden sicher aufregend werden.


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