Kann Fräulein Funkendrache helfen? (18)
Am nächsten
Morgen erwachte Franzi sehr früh. Er stand leise auf, schlich sich zum
Höhleneingang und sah hinaus. Es war noch zappenduster. Nur der Schnee
glitzerte ein wenig im Mondlicht. Außerdem war es schrecklich kalt. Der kleine
Drache legte sich noch einmal auf seinen Latschenteppich und drehte sich fest
in seine Schafwolldecke ein.
Langsam
wurde ihm wieder warm. Er musste an Liesette denken, die freundliche lustige
Liesette, die von zwei Drachenkindern immer wieder ausgelacht wurde, weil sie
rund war. Dabei war das Drachenmädchen blitzgescheit und auch sehr geschickt.
Ganz besonders gefiel Franzi, dass sie so schön singen konnte.
Heute würde
er mit seiner Drachenschullehrerin Fräulein Rosanna Funkendrache sprechen und
ihr alles erzählen, was er beobachtet hatte. Sicher hat Fräulein Funkendrache
eine Lösung für das Problem.
In der
Schlafecke der Eltern hörte das Drachenkind ein Flüstern. Wahrscheinlich
glaubten sie, dass er noch schliefe. Franzi flüsterte ihnen zu: „Ich bin schon
wach.“ Drachenmama Frieda war aufgestanden und stand nun neben Franzi. Damit
die kleine Franziska nicht geweckt würde, sprach auch sie ganz leise: „Schönen
guten Morgen Franzi! Bist du ausgeruht? Du kannst schon mit der Morgentoilette
beginnen. Draußen dämmert es bereits. Nicht vergessen: Drachenbeißerchen putzen
und Schuppen polieren!“
Drachenmama
Frieda ging leise in die Kochecke und begann das Frühstück vorzubereiten.
Drachenpapa Fridolin war ebenfalls aufgestanden. Er richtete die Jause für sich
und Franzi her. Du willst bestimmt wissen, was in Franzis Jausenkästchen kommt:
Ein Stück Drachenkäse, ein Stück Drachenbrot, ein Apfel und ein paar
getrocknete Beeren.
Nun erwachte auch Franziska. Sie bekam von Mama am Morgen immer ein Fläschchen mit Drachenmilch. Franziska lag noch in ihrem Bettchen, das Fläschchen zwischen den Vordertatzen und nuckelte genüsslich. Franzi jedoch saß am großen Tisch freute sich auf den Haferflockenbrei mit Nüssen und Beeren, den die Mutter heute für ihn zubereitete.
Nachdem auch Drachenpapa Fridolin gefrühstückt hatte, packte
Franzi seine Jause in die Drachenschultasche und verabschiedete sich von seiner
Schwester. Drachenmama Frieda begleitete Papa Fridolin und Franzi vor die Höhle.
Franzi breitete seine Flügel aus und startete los. Papa Fridolin folgte ihm.
„Na, Franzi,
das ist aber schön, dass dich heute dein Papa zu mir bringt“, begrüßte ihn
Fräulein Funkendrache. „Ich muss Ihnen etwas erzählen. Ich brauche Ihre Hilfe
und Papa möchte mich unterstützen“, erklärte Franzi. Rasch erzählte er die
ganze Geschichte. Fräulein Funkendraches freundliches Drachengesicht wurde
ernst und schließlich schüttelte sie empört den Kopf: „Das ist schlimm. Da
müssen wir sofort etwas unternehmen. Alle Drachenkinder sollen sich in der
Drachenschule wohlfühlen. Du bist sehr aufmerksam und Liesette kann sich
freuen, dass du ihr Freund bist. Komm jetzt mit, die anderen Drachenkinder sind
schon in der Klassenhöhle“ sagte sie zu Franzi und an Papa Fridolin gewandt:
„Danke, dass Sie Franzi begleitet haben. Wir werden ein Auge auf Liesette haben
und das Problem gleich angehen.“ Drachenpapa Fridolin zwinkerte Franzi zu,
winkte und flog dann weiter zum Drachenstein, wo er an diesem Tag arbeitete.
Als Fräulein
Funkendrache mit Franzi die Drachenhöhle betrat, wurde der kleine Drache von
seinen Freundinnen und Freunden stürmisch begrüßt. Liesette saß still auf ihrem
Platz. Franzi setzte sich neben sie, lächelte und flüsterte ihr zu: „Keine
Sorge, es wird alles gut!“
Die große Drachenschulglocke bimmelte. Die Drachenkinder setzten sich auf die Latschenteppiche, die für den Morgenkreis aufgelegt waren. Nach einigem Geschubse und
Gedränge saßen schließlich alle.
Franzi hatte
darauf geachtet, dass Liesette neben ihm saß, weit weg von Fanni Fadendrache
und Fredi Sprungdrache. Die beiden steckten schon wieder die Köpfe zusammen und
warfen Liesette immer wieder seltsame Blicke zu. Das bemerkte auch Fräulein
Funkendrache. Sie wartete bis alle Drachenkinder still wurden. Aus einem Regal
nahm sie ein dickes Märchenbuch. Die Lehrerin setzte sich zwischen Fanni
Fadendrache und Fredi Sprungdrache und begann zu lesen. Es war eine lange
Geschichte, trotzdem hörten die Drachenkinder aufmerksam zu, so spannend war
sie. Es ging um einen Drachenbuben, der von den anderen Drachenkindern
gehänselt wurde, weil er zu dünn war.
„Was sagt
ihr dazu? Wie fühlte sich der Bub aus dem Märchen? Was hätte er tun können?“,
fragte Fräulein Funkendrache.
Einen Moment war es ganz still. Kein Drachenkind wollte etwas dazu sagen. Da meldete sich ein Drachenmädchen und meinte: „Ich glaube, dem Buben ging es gar nicht gut. Er war sehr traurig. Vielleicht hätte er mit seinen Eltern sprechen sollen oder mit einem Freund?“ Die Drachenschullehrerin Fräulein Funkendrache nickte. Nun gab Franzi ein Zeichen, dass er etwas sagen wollte: „Wenn ich der Freund wäre, würde ich dem Buben gerne helfen, damit es ihm wieder gut geht und ihm sagen, dass er mir genauso gefällt wie er ist, egal was die anderen meinen.“ Ein anderes Drachenmädchen erzählte, dass es jemand wegen ihres roten Haarschopfes verspottet hatte und sie eigentlich stolz ist auf ihre Haare, weil sonst niemand diese besondere Haarfarbe hat.
Auch andere Drachenkinder erzählten von
ihren Erfahrungen. Dann stellte Fräulein Funkendrache noch eine Frage: „Wer
kann dir denn helfen, wenn dir so etwas passiert?“ Da riefen die Drachenkinder
durcheinander: „Mama und Papa!“ „Ein Freund oder eine Freundin oder gleich mehrere
Freunde!“ „Sie, Fräulein Funkendrache!“ – Die Drachenschullehrerin hob eine
Hand und legte ihre Tatze an das Maul. Da wussten die Kinder, dass sie wieder
ruhig sein sollten. Sie sagte ganz ernst: „Ich möchte, dass sich bei uns alle
Kinder wohlfühlen. Deshalb kannst du dir jederzeit bei mir Hilfe holen!“
„Das ist
schön!“, dachte Franzi, „Ich glaube, auch Liesette wird sich bald bei uns
wohlfühlen. Auf meine neue Freundin werde ich gut achtgeben.“ Dann schaute der
kleine Drache seine Freundin an und bemerkte, wie sich ein Lächeln in ihr
Gesicht stahl. Auch die Augen funkelten wieder unternehmungslustig. Fräulein
Funkendrache zwinkerte Franzi zu.
Nach der
großen Pause in der Drachenschule bemerkte der kleine Drache, dass Fanni
Fadendrache auf Liesette zuging und ihr die Tatze reichte. Dabei sagte sie
etwas, das Franzi nicht verstehen konnte. Seine Freundin Liesette nickte mit
ernstem Drachengesicht dazu.
Das konnte
nur Gutes bedeuten. Schön, dass sich schon etwas gebessert hat. Darüber freute
sich Franzi sehr.
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